Glaskunst


Die Geschichte der Glasfertigung auf Mallorca beginnt um 600 v. Chr., denn bereits zu dieser Zeit haben die Phönizier auf Mallorca Glas hergestellt. Woher die Phönizier das Verfahren kannten, ist nicht dokumentiert. Dass sie ihr Wissen um die Glasherstellung den Römern hinterließen, belegen die Funde in Artà und Alcúdia.
Die Römer wussten, wie sie Glas färben konnten, aber erst die Mauren haben beim mallorquinischen Glas die erste Farbe eingeführt: Grün, die Farbe der Propheten. Seit 1232 hat sich diese Farbe auf der Insel in vielen Glasbläsereien erhalten. Auch die Vorliebe für reich verzierte schnörkelige, manchmal fast zwiebelförmige Formen hat ihre Parallelen und Vorbilder in den Glaskunstwerken, die die Mauren nach byzantinischem Vorbild auf Mallorca einführten.
Die wichtigsten Orte und Unternehmen, die heute noch die Formen und Techniken der Glaskunst beherrschen: Algaida, seit 1719 mit dem Familienunternehmen Gordiola-Manufaktur und nahe Campanet das Unternehmen Menestràlia und S`Esglaieta mit Lafiore.
Was sie herstellen und vor allem wie, verbindet dieses historische Erbe der erst nach der maurischen Herrschaft angesiedelten Kunsthandwerksgeschichte. Die neuen christlichen Herrscher wollten ihren Wein aus zierlichen copa de vi (Gläsern) trinken und wussten um das wirtschaftliche Potential, das in dieser Kunstfertigkeit steckte. Der Rat der ständischen Vertretung, jurats genannt, wurde beauftragt, das Glashandwerk unter Monopol zu stellen. Im 14. Jahrhundert wurde die Glasherstellung zeitweise sogar verboten. Durch den enormen Holzverbrauch zur Befeuerung der Schmelzen waren die Wälder auf der Insel abgeholzt. In den alten Geschäftsbüchern ist belegt, dass durch Abstandszahlungen und Schmiergelder dieses Verbot unterlaufen wurde - das Geschäft mit dem Glas war zu attraktiv, um es einigen Privilegierten zu überlassen. Das europäische Monopol lag damals, seit der Eroberung von Damaskus, der Glasmetropole im Mittelmeerraum, durch die Türken, auf Murano, einer Venedig vorgelagerten Insel. Was die Glasbläser in Murano fertigten, war so einzigartig, dass die Dogen ihre Kunsthandwerker wie Gefangene hielten und unter Androhung der Todesstrafe verboten, ihr Wissen weiterzugeben.
Die Katalanen, die zwischenzeitlich ihrerseits ihre Glasexperten nach Mallorca gesandt hatten, um das Können ihrer Kollegen dort abzugucken und zu ergänzen, kauften fleißig venezianisches Glas, um hinter die Geheimnisse der Herstellung zu kommen. Dabei versuchte man alles, um Insider aus Murano zu bekommen. Im Jahre 1600 brach Dermenice Barovier aus Murano aus und kam nach Mallorca. 1605 erhielt er die Genehmigung durch die jurats in den Glasmanufakturen der Insel zu arbeiten. Binnen kurzer Zeit kopierten mallorquinische Glasbläser venezianisches Glas so perfekt, setzten deren Farben- und Formenreichtum so vollendet um, dass noch bis heute viele Stücke aus Mallorca von Experten als venezianisches Glas mit Zertifikaten bescheinigt werden. Anfang des 17. Jahrhunderts wurde auch die farbenprächtige Rosette der Kathedrale La Seu in Palma de Mallorca gefertigt.
Im 18. Jahrhundert verdrängte die industrielle Fertigung die kleinen und nun teuren Glasbläsereien. Erst die Nachfrage des einsetzenden Tourismus zwei Jahrhunderte später gab den Glasbläsern ihren Stellenwert zurück.